„Mir schwindelte, als ich den ersten Blick auf den gefüllten Raum warf, den ich vor mir hatte… Ich finde, dass eine solche Aussicht von einem Hohen Berge außerordentlich viel zur Erweiterung der Begriffe beiträgt. Sie ist von jeder anderen so ganz verschieden, dass es unmöglich ist, ohne sie gesehen zu haben, sich einen deutlichen Begriff davon zu machen. Alle kleinen Gegenstände verschwinden, nur das Große behält seine Gestalt bei. Alles verläuft ineinander; man sieht nicht einer Menge kleiner, abgesonderter Gegenstände, sondern ein großes, buntes, glänzendes Bild, auf dem das Auge mit Wohlgefallen weilt.“ Arthur Schopenhauer, Reisetagebücher
Ob Bergsteigen oder Skitouren gehen, ob Klettern oder Wandern - in den Bergen erweitert sich unser Horizont, nicht nur der visuelle, sondern auch der innere. Der Blick in die Weite beeinflusst unser Denken, ja öffnet es. Viele von uns haben die besten Gedanken, Ideen und Gespräche beim Wandern - die Sorgen vom Tal werden in den Bergen immer kleiner, der Blick auf das große Ganze deutlicher. Das liegt daran, dass die körperliche Bewegung auch unseren Geist bewegt. Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard bemerkte: „Ich habe mir meine besten Gedanken ergangen und kenne keinen Kummer, den man nicht weggehen kann.”
Vordergründlich bieten die Berge und die Natur aber mehr als einen Ort, an dem wir gut denken können; sie schenken Ruhe und Abgeschiedenheit und halten stets auch das Ungewisse und das Abenteuer für uns bereit. Der Berg bringt uns immer wieder an unsere Grenzen: an die Grenzen unserer Kräfte, aber auch an die Grenze des Ich. Fragen tauchen auf: Was ist Natur für mich? Warum gehe ich in die Natur? Was gibt sie mir?
Wo könnte man diesen Fragen besser auf die Spur kommen, wenn nicht in der Natur selbst. Die Verbindung von Naturerlebnis und philosophischer Betrachtung ermöglicht eine Tiefe, die körperlich und rational erfahrbar wird. Bergsteiger:innen und Philosoph:innen ist mehr gemeinsam, als man vielleicht annehmen mag, begonnen mit dem grundlegendem Staunen, das beiden als Motivationsquelle für ihre Unternehmungen dient. Dieses Staunen als Anfang jeder Erkenntnis geht im von Konsum und Hektik geprägten Alltag oft verloren.
Die Philosophische Wanderwoche wollen wir dazu nutzen, uns von den Ablenkungen des Alltags zu befreien, kurz innezuhalten und mit Hilfe philosophischer Methoden den Fragen nach dem Verhältnis von Mensch und Natur nachzugehen. Dies geschieht zum Beispiel beim reflexiven Alleinwandern, im Dialog-Gehen oder in der Gruppendiskussion. Die Referent:innen unterstützen diesen Prozess vor allem dadurch, dass sie die richtigen Fragen stellen, konkrete Übungen vorschlagen, die Diskussionen moderieren und die gesamte Woche mit Referenzen aus der Philosophie bereichern. Die Berge sollen dabei nicht nur im metaphorischen Sinn als Ausblicke auf das große Ganze dienen. Sie sind uns Kulisse für unsere Gedanken und Bühne für unsere Wanderungen, welche uns auf einsame, unschwierige, aber deshalb nicht minder beeindruckende Berggipfel führen. Ausgehend von der Gallfall Alm, einer bestens ausgebauten Selbstversorger-Almhütte im verkehrsfreiem Karbachtal, (einem Seitental des Gsies) besteigen wir in 4 bis 5-stündigen Wanderungen, über bewirtete Almen, Seen und Hochflächen, die Gipfel der Umgebung.
Ruhe, Geselligkeit und gutes Essen sollen in unserer Hütte mit 15 Schlafplätzen nach dem Wandern keinesfalls zu kurz kommen. Auch in der Nahrungsaufnahme trifft sich schließlich äußere und innere Natur. Um diesen Aspekt zu vertiefen, wird die ganze Woche unter fachkundiger Anleitung gemeinsam gekocht und gegessen. Hierfür verwenden wir Produkte aus der unmittelbaren Umgebung, die wir vielleicht sogar auf unseren Wanderungen sammeln bzw. direkt vom Bauernhof abholen. Zusätzlich zu den theoretisch-philosophischen Anstößen können die Teilnehmenden so beim gemeinsamen Zubereiten der Abendessen auch praktische Anregungen aus der professionellen Küche mitnehmen.
Zusammenfassend könnte man das Konzentrat dieser Woche vielleicht am besten in folgenden Satz zum Ausdruck bringen: stark wandern, gscheit reden, guat essen & trinken!
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Die Referenten:
Florian Andres ist als Philosoph geboren, hat aber nur auf Umwegen zu seinem Traumberuf gefunden. Nach seinem Studium zum Sicherheitsmanager hat er einen Neuanfang in der Philosophie gewagt, wo er sich richtig zu Hause fühlt. Geographisch ist der angehende Philosoph vorübergehend in Bonn daheim, wo er aber nicht bleiben wird, weil der gebürtige Bozner ein Kind der Berge ist.
Anna Huber liebt die Natur und die Sterne - nicht nur die Sterne am Himmelszelt, sondern auch die der Sternerestaurants in welchen die gelernte Köchin schon gearbeitet hat. Obwohl sie nach wie vor leidenschaftlich gerne kocht, hat auch sie einen neuen Weg eingeschlagen. Anna hat "Philosophie, Kunst und Gesellschaftsgestaltung" studiert und ist angehende Mediatorin.